Bericht vom Kandidatenturnier für die Schach-WM
Ungewöhnliche Stille senkt sich seit einiger Zeit immer mal wieder über den sonst lebhaft lärmenden Kinderclub. In einer Ecke stehen sie mal wieder um einen Tisch herum und begleiten kommentierend und gestikulierend das laufende Schachspiel. Jeder Zug wird diskutiert, manch einer will von außen sogar ins Spiel eingreifen – und wird gerade so noch gestoppt. Die Atmosphäre erinnert an das laufende Kandidatenturnier am Gleisdreieck, nur sind die Zuschauer lebhafter, dichter am Tisch und erstarren nicht in Ehrfurcht. Begriffe wie ‚Sizilianische Verteidigung‘ oder ‚Berliner Mauer‘ spielen noch keine Rolle aber es ist immer wieder ein schönes und auch ungewöhnliches Bild, wenn die 6 bis 10jährigen eine Schachgemeinschaft bilden.
Die Begeisterung an diesem Spiel hat fast alle Kinder angesteckt und es passiert schon mal, das ein Mädchen aus der 4. Klasse einen Jungen aus der 1. Klasse zum Spiel rausfordert, weil es gesehen hat, das er es schon gut kann. Gern auch fordern die Kinder die Mitarbeiter*innen zum Spiel heraus und auch da heißt es für den einen oder anderen Demut zu lernen. Als ich kürzlich vom 8jährigen Ben, der sich sonst auch immer gerne damit hervortut zur Freude der Anderen, beim Essen laut und lange über Pipi, Kaka, Kotze und ähnliches zu erzählen, zum Spiel eingeladen wurde, dachte ich, als mir beim 10. Zug der Läufer abhanden kam, mit ein wenig mehr Konzentration würde ich das schon wieder ausbügeln. Dann verlor ich 5 Züge später den Turm und musste realisieren, dass Ben mir im strategischen Denken überlegen war. Noch 5 Züge später war meine Situation völlig aussichtslos, so dass ich als Zeichen meiner Aufgabe den König umlegte. Damit war mein Gegner aber nicht einverstanden und protestierte altersangemessen:
‚Ey, Du bist echt doof, ich will doch deinen König gefangen nehmen!!‘
Wir kamen nicht dazu, den Konflikt auszudiskutieren, da glücklicherweise in diesem Moment Bens Mutter auftauchte um ihn abzuholen.
Die versprochene Revanche haben wir noch nicht gespielt – ich muss vorher noch eine Weile üben.